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Datum: 16.02.2022

Montagsspaziergänge sind anmeldepflichtige Versammlungen

Der Bürgermeister der Kreisstadt Groß-Gerau als Versammlungsbehörde weist darauf hin, dass es sich bei den bisher durchgeführten sogenannten „Montagsspaziergängen“ um nicht angemeldete Versammlungen handelt, auf die das Versammlungsgesetz Anwendung findet. 

Seit Mitte Dezember treffen sich in Groß-Gerau, wie in vielen anderen Städten, regelmäßig wöchentlich mehrere hundert Menschen zu sogenannten „Montagsspaziergängen“. Die Teilnehmer, die bei den „Montagsspaziergängen“ ihren Protest gegen Corona-Maßnahmen ausdrücken, nehmen an einer nicht angemeldeten Versammlung teil.

Die Kriterien für eine Einordung als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes sind erfüllt. Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Ein kollektiver Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung kann laut Bundesverfassungsgericht auch non-verbal, durch schlüssiges Verhalten wie beispielsweise durch einen Schweigemarsch, geäußert werden. Damit sind die sogenannten „Montagsspaziergänge“ unzweifelhaft als Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes einzustufen, zumal mit begleitenden Maßnahmen wie Flyern, Plakaten und Trillerpfeifen seitens der Teilnehmenden die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gesucht wird.

Versammlungsrecht findet Anwendung

Nach § 14 VersammlG ist der Veranstalter einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel verpflichtet, diese spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe bei der Versammlungsbehörde anzumelden. Die Anmeldung soll der Versammlungsbehörde unter anderem ermöglichen, mögliche Auswirkungen auf Dritte auszugleichen, beispielsweise durch geeignete Verkehrsregelungen und Vorgaben zur Durchsetzung des Infektionsschutzes. Die Demonstrantinnen und Demonstranten bezwecken mit der unterbliebenen vorherigen Anmeldung der Versammlung, ohne die sonst üblichen Auflagen den Demonstrationszug durch die Groß-Gerauer Innenstadt zu führen. Daher findet die Versammlung „Montagsspaziergang“ regelmäßig ohne die Einhaltung der notwendigen infektionsschützenden Maßnahmen wie der Maskenpflicht statt.

Versammlungsbehörde prüft Verhältnismäßigkeit

Bei den Versammlungsteilnehmenden kommt es immer wieder zu Missverständnissen bezüglich der rechtlichen Einordnung der „Montagsspaziergänge”. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass Versammlungsfreiheit und die allgemeinen Regeln des Versammlungsgesetzes in einem Spannungsverhältnis zum Infektionsschutz stehen, der sich aus dem Grundrecht auf Leben und Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG herleitet. Dieses Spannungsverhältnis ist von den zuständigen Versammlungsbehörden in jedem Einzelfall und im Rahmen einer verhältnismäßigen Abwägung zu beurteilen mit dem Ziel, einen sachgerechten Ausgleich zwischen den beiden Verfassungsgütern herbeizuführen.

Das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 des GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen. Nach Art. 8 Abs. 2 GG darf dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch oder aufgrund eines Gesetzes (hier: Versammlungsgesetz) nur zum Schutz gleichrangiger anderer Rechtsgüter und unter strikter Wahrung der bereits genannten Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden. 

Interessenabwägung zwischen Versammlungsfreiheit und Gesundheitsschutz

Für die Interessenabwägung bezüglich der anmeldepflichtigen Versammlung „Montagsspaziergang“ bedeutet das, dass Versammlungsbeschränkungen zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) statthaft sind, um Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner zu begegnen und einer Überlastung des Gesundheitssystems entgegenzuwirken (VG Wiesbaden, Beschluss vom 17.01.2021, Az.: 2 L 38/22.WI.). Da aufgrund der hoch-ansteckenden Omikron-Variante die Gefahr besteht, sich auch unter freiem Himmel mit dem Corona-Virus zu infizieren, und da insbesondere ungeimpfte Personen einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt und daher besonders schutzwürdig sind, ist die Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel gemäß Artikel 8 Grundgesetz durch Maßnahmen wie die Pflicht zum Tragen einer Maske und zur Einhaltung eines Mindestabstands zu anderen Teilnehmenden von 1,5 Meter einzuschränken.

Maskenpflicht und Mindestabstand sind mit Blick auf die Zahl von regelmäßig mehreren hundert Teilnehmenden geeignet, erforderlich und verhältnismäßig und berühren weder die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 Abs. 1 GG. Die Meinungsäußerungsfreiheit wird nicht durch das Tragen einer Maske und auch nicht durch die Aufforderung, einen geeigneten Abstand von 1,5 Meter einzuhalten, eingeschränkt.