Haus Raiss - Haus Leni
Das Haus Raiss ist seit 1983 der historische Sitz der Städtischen Seniorenarbeit und zugleich beliebter Treffpunkt für ältere Menschen und Seniorengruppen. Aufgrund seiner Bausubstanz wurde es abgerissen und zurzeit wird an gleicher Stelle ein modernes und barrierefreies Gebäude mit großzügigem Raumangebot erbaut.
Sitz der Seniorenarbeit
Im Juli 2019 wurde die Nutzung des Haus Raiss eingestellt und das Haus abgerissen. Seit Oktober 2023 wurde es durch ein modernes und barrierefreies Gebäude ersetzt.
Geschichte des Haus Raiss
1908 - Samuel und Juliane Hirsch
Im Jahr 1908 erwarben Samuel Hirsch (geboren 21.11.1846) und seine Frau Juliane Hirsch, geborene Krieger (geboren 1.3.1856) das Haus und zogen mit ihrem Sohn Gustav Hirsch (geboren am 23.5.1889) ein. Zuvor hatten sie in Wallerstädten gewohnt.
Samuel ist von Beruf Metzger, er baut ein kleines Verkaufslädchen neben das Haus (heute die EInfahrt zum Hof). Das Grundstück des Haus Raiss stand damals als 'Hofreite Am Hospitalgarten mit Grabgarten' im Grundbuch.
Samuel Hirsch starb 1923, seine Frau Juliane 1925.
1925 - Gustav und Lina Hirsch
1925, als die Eltern gestorben waren, wurde Gustav Hirsch (geboren am 23.5.1889) Eigentümer des Hauses - gemeinsam mit seiner Ehefrau Lina Hirsch, geborene Mayer (geboren am 6.3.1896).
Sie wohnten hier mit ihrer 1920 geborenen Tochter Liesel Hirsch, außerdem wohnte noch Linas Mutter Emma Mayer, geborene Kahn (geboren am 6.9.1873) dabei.
Gustav Hirsch arbeitete als Metzger und Viehhändler. Er war Vorsteher der jüdischen Gemeinde.
1938 - Verfolgung durch die Nazis
1938 in der Kristallnacht umstellten SA-Leute das Haus, verwüsteten es und warfen Möbel auf die Straße.
Gustav Hirsch wurde wie viele andere männliche Juden aus Groß-Gerau für einen Monat im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert.Das Nazi-Regime versagte ihm das Recht, seinem Beruf nachzugehen und zwang ihn, sein Haus zu verkaufen. Käufer war Philipp Raiss.
Die Familie Hirsch zog kurzfristig nach Frankfurt, von wo aus ihr im Januar 1940 die Flucht in die USA gelang, nur so konnten sie ihr Leben retten.
In Bridgeport im Bundesstaat Connecticut konnten sie sich eine neue Existenz aufbauen.
1939 - Philipp Raiss
1939 erstand der Weißbindermeister Philipp Raiss das Haus. Er lebte und arbeitete darin, seine Werkstatt hatte er hinter dem Haus.
Auf ihn geht der heutige Name des Hauses zurück. Sein Namensschriftzug an der Außenfassade der Hausfront, umgeben von auffälligen Malereien, die die vier Jahreszeiten darstellen, war bis zum Abriss des Hauses zu sehen. Im Neubau soll es für die historische Fassade eine Erinnerung geben.
Um 1980 - Das Haus geht an die Stadt
Nach seinem Tod Anfang der achtziger Jahren vermachte Philipp Raiss das Haus der Stadt Groß-Gerau mit der Auflage, darin eine Einrichtung für alte Menschen anzubieten.
Seniorenarbeit war derzeit in Groß-Gerau noch nicht manifestiert. Wohl gab es bis dato bereits einzelne Seniorenkreise, nirgends jedoch eine Stelle die Angebote koordinieren und ausbauen konnte - von Räumlichkeiten ganz zu schweigen.
Die Stadt Groß-Gerau erkannte die Zeichen der Zeit: Sie baute nach hinten an und verschaffte dem kleinen Haus großzügige Räumlichkeiten, die man von vorn nur erahnen konnte.
1983 - Das Haus Raiss wird eröffnet - Seniorenarbeit beginnt
Am 7. Juli 1983 wurde das Haus Raiss als Senioren-Begegnungsstätte eröffnet und schon ab dem ersten Tag trafen sich hier Seniorengruppen.
Neben den Veranstaltungsräumen wurde im ersten Stock auch ein Büro für die Seniorenarbeit eingerichtet. Sozialarbeiter/innen wurden eingestellt und entwickelten nach und nach ein fundiertes Konzept der Seniorenarbeit. Immer vielseitiger wurden die Arbeitsinhalte und immer wichtiger das Thema Beratung.
Ende der Achtziger Jahre wurde die 'Beratungs- und Koordinationsstelle für ältere Menschen und Angehörige' entwickelt und in die 'Städtische Seniorenarbeit' integriert. Die Angebote der Städtische Seniorenarbeit Groß-Gerau wurden und werden kontinuierlich weiter ausgebaut.
2016 - Verlegung von Stolpersteinen
Zur Erinnerung an die jüdische Familie Hirsch wurden am 11. Oktober 2016 vor dem Haus Raiss Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an Gustav und Lina Hirsch, an ihre Tochter Liesel und an Emmy Mayer, der Mutter von Lina (Näheres zu Familie Hirsch siehe unter 1925 und 1938).
Bei der Stolpersteinverlegung war Melissa Pope, die in den USA lebende Enkelin von Liesel Hirsch, mit ihrer Familie anwesend.
Im Oktober 2020 wurden die Stolpersteine bei einem kleinen Festakt wegen des Neubaus entfernt. Bis zur Fertigstellung des neuen Haus Raiss, sind die Stoplersteine im Stadtmuseum ausgestellt und werden mit der Neueröffnung wieder vor das Haus Raiss ziehen.
2019 - bis heute
Im Juli 2019 wurde die Nutzung des Haus Raiss eingestellt. Die Städtische Seniorenarbeit und die Seniorengruppen bezogen ein Übergangsquartier im Haus Leni (Darmstädter Str. 101).
Das Haus Raiss wurde abgerissen und an derselben Stelle ein modernes, barrierefreies Gebäude errichtet.
Das neue Haus Raiss ist seit Oktober 2024 wieder Begegnungs-, Beratungs- und Anlaufstelle für alle Fragen des Alterns.
Zahlreiche Seniorengruppen treffen sich dort, verschiedene Kurse, Vorträge und Aktivitäten werden angeboten. Auch die Städtische Seniorenarbeit, der Seniorenbeirat und die Generationenhilfe haben dort Ihre Büros bezogen.